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Suizidprävention - eine Aufgabe für jeden Einzelnen. Jahrestagung am Bezirkskrankenhaus Bayreuth

„Suizidprävention fängt nicht in einer Krise an. Sondern bereits mit dem Zuhören, dem Fragen, dem Ernstnehmen im Alltag“ – mit diesen Worten eröffneten Prof. Dr. med. habil Thomas W. Kallert, Leitender Ärztlicher Direktor der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, und Prof. Dr. Ute Lewitzka, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, die Jahrestagung der Gesellschaft. Sie fand in diesem Jahr in Bayreuth, am Bezirkskrankenhaus statt.

Zwei Tage lang tauschten sich die Fachleute zum Thema aus, diskutierten und informierten sich. 

Das Thema Suizid ist ein extrem Vielfältiges, wie die Vorträge, Diskussionen und persönlichen Gespräche deutlich machten. Es ging um die Rolle der Medien, die historische Entwicklung, neue Forschungsansätze, Perspektiven, um familiäre Risikofaktoren, um Suizid bei Kindern und Jugendlichen und welche Rolle die Einsamkeit spielt, ein Thema, das zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnt. Eine Zahl von 2021: 1,8 Millionen Menschen in Bayern sind einsam. Vor allem während der Corona-Pandemie sei die Einsamkeit stark gestiegen, so ein Referent. Ein Eindruck, den auch die Vertreter des Krisendienstes bestätigten. Bei vielen Menschen, die sich an den Krisendienst wenden, kommt Einsamkeit als belastender Aspekt hinzu. 

Kritisch betrachtet wurde der Bereich des assistierten Suizids und Prof. Lewitzka stellte die Frage, was es über eine Gesellschaft aussage, dass assistierter Suizid leichter zu bekommen sei, als psychologische Hilfe? „Suizidprävention ist immer auch ein Gradmesser für den Zustand unserer Demokratie.“ Einhellige Meinung: Deutschland brauche einen Masterplan Suizidprävention.

Daher auch klare Forderungen in Richtung Gesetzgeber: Suizidprävention müsse erreichbar sein, es gehe darum, offen und verantwortungsvoll mit dem Thema umzugehen. Man müsse außerdem nicht nur auf Versorgung setzen, sondern auch auf Aufklärung, Methodenrestriktion und Kommunikation. Und: Suizidprävention brauche eine verlässliche Finanzierung. Der evangelische Landesbischof Christian Kopp sieht das Thema nicht nur als gesellschaftliche, sondern auch als kirchliche Aufgabe und ergänzte selbstkritisch: „da passiert sehr wenig“. Auch ein Blick in die Kirchengeschichte zeige den hier unrühmlichen Umgang mit dem Thema, wurden Menschen, die Suizid begangen hatten, früher ja nicht einmal innerhalb der kirchlichen Friedhofsmauern bestattet, von einer Todsünde gar war die Rede. „Ich bin überzeugt, dass der Mensch eine eigene Würde hat und ein Selbstbestimmungsrecht. Trotzdem müssen wir alles dafür tun, dass Menschen diesen Schritt nicht gehen.“

In der Diskussion kam der Vorschlag, nicht nur Psychiater und Psychologen mit dem Thema zu betrauen, sondern auch Sozialpädagogen und Lehrer ins Boot zu holen. Und: Man müsse dort mit Prävention anfangen, wo die Lebenswelten der Menschen sind, die Suizidgedanken haben. Warum nicht zum Beispiel auch Urologen entsprechend schulen (ältere Männer gehören zu einer Risikogruppe – zum Psychiater gehen die wenigsten von ihnen, aber zum Urologen müssen ältere Männer alle einmal). Und wo erreicht man Landwirte? Die Suizidrate in der Landwirtschaft ist hoch – es gelte zu überlegen, wo man hier ansetzen könnte. 

Im Rahmen eines Gesellschaftsabends wurden drei Persönlichkeiten für ihren Einsatz im Bereich der Suizidprävention geehrt: Dr. Uwe Sperling, Prof. Dr. Arno Drinkmann und Kim Hertinger. Letztere hat einen Videoclip produziert, der Mut macht, zu reden: https://www.youtube.com/watch?v=4lE0eN9EcD8

Was die Tagung gezeigt hat: Suizidprävention geht nur im Miteinander. Forschung, Praxis, Politik, Selbsthilfegruppen, Gesellschaft – ja, jeder Einzelne ist gefragt.