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News

Kinder und Corona: Nachwehen der Pandemie

Kinder erkranken sehr viel seltener schwer an Corona – und doch leiden sie stark unter der Pandemie. Wohl nur wenige Gruppen mussten während der Lockdowns so viele Einschränkungen hinnehmen und auf so viel verzichten, wie Kinder und Jugendliche. Das hinterlässt Spuren. Verschiedene Studien, unter anderem die COPSY (Corona und Psyche)-Studie, machen deutlich, dass die Auswirkungen der Pandemie und die Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona die psychische Gesundheit insbesondere der Kinder verschlechtern, die vor der Pandemie schon belastet waren, so Dr. med. Uwe-Jens Gerhard, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth.

Der Alltag der Kinder und Jugendlichen hat sich mit Beginn der Pandemie stark verändert. Wie wirkt sich die Pandemie psychisch auf Kinder und Jugendliche aus?

Schon seit Jahren gibt es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Wartelisten. Je länger die Pandemie dauert, desto deutlicher wird, dass Kindern und Jugendlichen über lange Zeit ein strukturierter Tagesablauf fehlte, Hobbys nicht mehr ausgeübt und Freunde nicht mehr getroffen werden konnten. Es treten inzwischen deutlich mehr emotionale Störungen wie Depressionen oder Anpassungsstörungen auf. Auch selbstverletzendes Verhalten hat zugenommen. Vermehrt treten jetzt Krankheitsbilder auf, die mit dem Bedürfnis nach Kontrolle zusammenhängen. Es entstanden neue Ängste, beispielsweise um schulische Abschlüsse, den Verlust von Freundschaften. Das kann von Jugendlichen als Kontrollverlust wahrgenommen werden, auf den manche mit Zwangs- und Angststörungen, Depressionen oder Essstörungen reagieren. Psychosomatische Störungen, wie zum Beispiel Einschlafstörungen und Kopfschmerzen, sind öfter zu verzeichnen. Auch Suchtverhalten, beispielsweise Spielsucht oder PC-Sucht, tritt inzwischen häufiger auf. Bei kleineren Kindern haben Befürchtungen um die Familie (z.B. Trennungsängste) zugenommen. Leider nimmt auch die häusliche Gewalt zu. Hier ist insbesondere die Jugendhilfe gefordert.

Welche möglichen Spätfolgen der Pandemie auf die Psyche der Kinder erwarten Sie?

Studien weisen darauf hin, dass die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen die psychische Gesundheit der Kinder beeinflussen, besonders dann, wenn in der Familie (bei dem Kind selbst oder einem Elternteil) schon psychische Vorerkrankungen auftraten.

Wird sich künftig bemerkbar machen, wenn ein Kind in der Pandemie groß geworden ist?

Es ist noch nicht einschätzbar, welche langfristigen Folgen die Zeit der Isolation und der Lockdowns haben. In den vergangenen Monaten waren Kinder sehr in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Kinder suchen nach ihrer Identität, die entwickelt sich normalerweise durch den Kontakt mit Gleichaltrigen. Wenn Kinder nicht auf Kinder treffen, gehen auch soziale Kompetenzen verloren, wie Rücksichtnahme, Teilenkönnen oder Integration in Gruppen. Hier werden sicher auch langfristig Entwicklungsrückstände sichtbar sein. In den ersten Lebensjahrzehnten entwickelt sich das Gehirn besonders rasant. Viel passiert dabei in der Gemeinschaft mit Familie und Freunden. Das alles fehlte über lange Zeit. In der Pandemie haben die Kinder und Jugendlichen vor allem gelernt, dass sie häufig hilflos, ausgeliefert sind, sie werden ständig von Ängsten begleitet. So eine „gelernte Hilflosigkeit“ ist das bekannteste psychologische Modell für Depression.

Im letzten Jahr hat sich der Eindruck verfestigt, Bedürfnisse der Kinder werden von der Politik nicht wahrgenommen…

Wir sprechen ja inzwischen von einer „Generation Corona“ oder einer „verlorenen Generation“ – nachdem Kinder und Jugendliche zunächst unzureichend wahrgenommen wurden, zeigen auch diese Bezeichnungen jetzt, dass man die Bedürfnisse der jungen Leute nicht ernst nimmt, es signalisiert eher, dass man sie ignoriert. Der Bedarf an psychiatrischer und psychologischer Hilfe für Kinder und Jugendliche war schon vor der Pandemie sehr groß, die Nachfrage wird in den nächsten Monaten weiter steigen und wir brauchen vermehrt therapeutische Angebote und Fachpersonal in diesem Bereich.

Wie könnte man jetzt noch das Ruder herumreißen, um Schaden von den Kindern abzuwenden, was ist zu tun?

Wir bräuchten eine vorausschauende Familien- und Gesundheitspolitik mit Blick auf die Psyche von Kinder und Jugendlichen. Familien brauchen mehr Unterstützung, auch von den Schulen. Dabei geht es nicht nur darum, Schulstoff nachzuholen. Es geht auch um die sozialen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen. Es müssen mehr leicht zugängliche Beratungs- und Therapieangebote vorgehalten werden.

Haben Sie Tipps für Eltern und Lehrer oder Erzieher, wie sie ihren Kindern helfen können?

Erwachsene müssen sich Zeit für ihre Kinder nehmen und mit ihnen im Gespräch bleiben. Jedes Kind benötigt Zuwendung und Anerkennung, mehr Beziehung als Erziehung. Es ist wichtig zu erkennen, welcher Belastung ein Kind ausgesetzt ist. Und wenn man merkt, man stößt hier an Grenzen, sollte man keine Scheu haben, sich professionelle Hilfe bei Kinderpsychologen oder -psychiatern zu holen.