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News

Eingreifen, bevor es sich zuspitzt: Wie Deeskalationsmanagement hilft, Konflikte einzudämmen

Wohin bewegt sich unsere Gesellschaft? Diese sehr plakativ gehaltene Frage ist seit Jahren immer wieder Gegenstand öffentlicher Debatten. Verbale Grenzüberschreitungen und handgreifliche Auseinandersetzungen scheinen sich in der Gesellschaft auszubreiten. Frustration und Desorientierung wie auch fehlende Vorbilder im Elternhaus, Freundeskreis oder am Arbeitsplatz sind dabei ein idealer Nährboden. Weitgehend einig sind sich Psychologen und Vertreter anderer wissenschaftlicher Disziplinen: Verbale Respektlosigkeiten wie auch Handgreiflichkeiten nehmen in einem Maß zu wie die soziale Verantwortung abnimmt.

Natürlich ist auch ein Krankenhaus nur ein Spiegelbild der Gesellschaft und damit gesellschaftlichen Trends und Veränderungen ausgesetzt. Auch dort treffen ganz unterschiedliche Menschen aufeinander – zudem in einem ganz speziellen Kontext: Kranke und schwerkranke Menschen, in einer behandlungsbedürftigen Notlage und nicht selten mit psychischen Beeinträchtigungen, treffen auf Klinikmitarbeiter, die sich mit Ihrem Know-How und ihrer Fürsorge einbringen, um Patienten und auch deren Angehörigen zu helfen. Dabei macht es selbstverständlich einen Unterschied, ob die Klinik in einem Raum mit eher ländlicher Struktur steht oder in einer größeren Stadt mit ihrer typischen Anonymität. Und es macht sehr wohl einen Unterschied, ob sich ein Mensch lediglich als Patient mit individueller Aufnahmenummer kalten und empathielosen Behandlungsprozessen ausgeliefert sieht oder sich in einer überschaubaren Klinikwelt gut aufgehoben und als Persönlichkeit wahrgenommen fühlt.

Am Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg stellt man sich seit vielen Jahren systematisch dieser Problematik. Das Fachkrankenhaus mit 278 Betten stellt die medizinische Versorgung von Patienten mit psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen sowie Rheuma- und Lungenerkrankungen sicher. Um die Entstehung von potenziellen Konfliktsituationen zwischen Patienten und Mitarbeitern professionell bereits im Anfangsstadium zu erkennen und deeskalierende Schritte einzuleiten, geht man seit vielen Jahren einen besonderen Weg. Ein systematisches Deeskalationsmanagement hilft, verbale Aggressionen in Form von Beleidigungen und Beschimpfungen wie auch handfeste Tätlichkeiten professionell zu verhindern oder rasch einzudämmen. Gerade auch für Stationspersonal, das sich um Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen kümmert, ist dieser „Werkzeugkasten“, der in speziellen Trainings erlernt wird, unverzichtbar.

David Müllich und Christian Kämpf gehören zum Team der professionell ausgebildeten Deeskalationstrainer am Bezirksklinikum Obermain. Seit 2018 haben sie ihr Zertifikat. “Mit Worten regulierend einzuwirken, das gehört in der Pflege zum Berufsalltag. Und gerade das hat auch in unserem Konzept einen herausragenden Stellenwert“, bekräftigen beide. „Zusätzlich unterstützen wir unsere Kollegen auch beim Erlernen von Verhaltensweisen und Techniken, um sich im Extremfall einem körperlichen Übergriff zu entziehen.“ Dabei geht es nicht nur um die Abwehr einer Gefahrenlage, sondern auch das richtige Fluchtverhalten. Die Mitarbeitenden des Pflegedienstes lernen darüber hinaus, aggressive Patienten im Team körperlich zu halten und verbal zu beruhigen, so dass sich weitere Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen deutlich reduzieren. Sehr wichtig ist beiden Trainern auch die Hilfestellung für Mitarbeiter, die nach einem Zwischenfall Unterstützung bei der Verarbeitung des Geschehenen benötigen. Die Kursteilnehmer lernen, auf welche Symptome sie bei ihren Kollegen zu achten haben, die einer starken psychischen Belastung ausgesetzt waren. Im festen Turnus besuchen Müllich und Kämpf Fortbildungen, um auch als Trainer immer auf dem neuesten Stand zu sein. Sie bieten ihren Kollegen mehrmals im Jahr Grundkurse und Auffrischungsseminare an.

„Wir finden es prima, dass unser Arbeitgeber Kenntnisse im Bereich Deeskalation regelmäßig vertiefen lässt. So können wir im Ernstfall schnell und professionell reagieren und vor allem empathisch Prävention betreiben, wenn wir uns immer wieder auch in die Situation des Patienten versetzen“ zeigen sich Elfriede Dirauf und Linda Schmitt begeistert über dieses besondere Fortbildungsangebot. Beide arbeiten im Pflegedienst der Klinik und haben erst kürzlich einen Auffrischungskurs besucht. Das Deeskalationstraining gibt ihnen Handlungssicherheit. Nicht nur im Beruf. Auch im Alltagsumgang mit kritischen Situationen macht sie das Training sicherer. Entscheidend sei es, dem Grund für die unangemessene Äußerung oder das Fehlverhalten eines Menschen auf die Spur zu kommen. Denn darin liege bereits ein Teil der Problemlösung und somit der Weg, Konflikte nachhaltig einzudämmen.

„Professionelles Deeskalieren gehört zu den Grundtugenden einer guten Pflegekraft“, ergänzt Steffen Wehrle, Pflegedienstleiter des Bezirksklinikums. „Unsere Pflegekräfte nutzen sehr gerne unsere regelmäßigen Deeskalationstrainings. Es hilft allen Beteiligten ungemein, wenn mit geschultem Blick Konflikte bereits im Frühstadium erkannt und Zuspitzungen verhindert werden können.“ Gerade auch deshalb sieht sich Wehrle für die Inbetriebnahme einer bundesweit einmaligen, beschützenden TBC-Einheit für krankheitsuneinsichtige Patienten gut gerüstet. Für diese Station braucht das Klinikum Pflegemitarbeiter mit hoher sozialer Kompetenz. Denn bereits Anfang 2022 soll es dort losgehen. Mit einem detaillierten Sicherheitskonzept und einem zusätzlichen Sicherheitsdienst direkt auf Station. „Bei uns kann man nicht nur gutes Geld verdienen“, stellt Wehrle klar. „Wir bereiten unser Personal mit einem breitgefächerten Maßnahmenkatalog und intensiven Trainings auf diese wichtige und interessante Aufgabe vor, was mir auch immer wieder Bewerber bestätigen, die von anderen Kliniken kommen. Unsere Mitarbeiter lassen wir nicht allein mit ihren Aufgaben.“

Das Kutzenberger Deeskalationsprogramm steht dabei nicht nur dem Pflegepersonal, sondern allen Beschäftigtengruppen offen, die direkten Patientenkontakt haben. So haben erst kürzlich Mitarbeiterinnen des hauseigenen Reinigungsdienstes die Schulung absolviert. Und auch Polizeibeamte aus der Region nahmen heuer als externe Gäste an dieser Fortbildung teil.

Am Bezirksklinikum Obermain halten sich daher Übergriffe in Form von Beschimpfungen oder gar Tätlichkeiten noch in sehr überschaubaren Grenzen. Sie bewegen sich auf einem erfreulich niedrigen Niveau. Einem Niveau, von dem Kliniken in großen Ballungsräumen nur träumen können. Das in Kutzenberg etablierte Deeskalationsmanagement soll dies auch in Zukunft sicherstellen.

 

Bildunterschrift:

Aufeinander zugehen:

Pflegekraft Elfriede Dirauf (rechts, kauernd) mimt eine Patientin, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befindet und sich nicht mehr von der Stelle bewegt. Pflegekraft Linda Schmitt (links) zeigt, wie es möglich ist, behutsam auf die Patientin einzugehen, sich buchstäblich anzunähern und auch räumliche Distanz zu überwinden. Christian Kämpf (stehend) und David Müllich (rechts), Deeskalationstrainer am Bezirksklinikum Obermain, geben Tipps.